LET GO – LET GOD


Claudia Simon

Wir stehen wieder am Anfang eines neuen Jahres, ein Neubeginn, neue Pläne, neue Vorsätze, neues Hoffen, neue Träume…. In jedem Neubeginn steckt auch ein Ende – im konkreten Fall zunächst das kalendarische Ende des letzten Jahres. Ein neues Jahr bedeutet auch immer das Loslassen der Dinge aus dem alten Jahr, die nicht mehr dienlich sind, dies können wir ganz klar in der Natur sehen, im Herbst fallen die Blätter von den Bäumen, damit im Frühling und damit im neuen Jahr neue Blätter sprießen können.

Wie sieht es aus mit deinen Vorsätzen des vergangenen Jahres? Hast Du sie umgesetzt? Konntest du überhaupt noch etwas mit ihnen anfangen im Verlauf des Jahres? Oftmals nehmen wir uns haufenweise Dinge vor, die wir unbedingt umsetzen wollen und im Laufe eines Jahres verblassen sie immer mehr oder haben keine Relevanz mehr für uns. Eine unserer Yogaschülerin hatte hierzu in den letzten Tagen einen tollen Post auf Instagram: warum schreiben wir uns immer nur To-Do-Listen, warum ändern wir dies nicht einfach mal und schreiben uns eine Done Liste? Was setzen wir alles um, egal ob es sich um gute Vorsätze oder Verpflichtungen handelt. Diese haken wir wie selbstverständlich ab, wir loben uns nicht dafür, sondern streben gleich danach, weitere, größere, tollere Taten umzusetzen.

Ich habe mir in diesem Jahr gar nichts vorgenommen, habe anstelle dessen ein Mantra für das Jahr gewählt, was mich bei allem, was ich tue, begleiten darf:

„Vertrauen ist die stillste Art von Mut.“

Wenn wir vertrauen, wenn wir uns sicher fühlen, dass das Leben immer für uns und nicht gegen uns ist, sind wir in der Lage loszulassen und uns dem Fluss des Lebens hinzugeben. Dies ist sicherlich einfacher gesagt als getan und gerade in Situationen, die uns besonders herausfordern, wird die Aussage des Mantras besonders klar: Um vertrauen zu können, bedarf es Mut! Wenn ich vertraue, kann ich mutig loslassen…

Im Kern des Yoga geht es immer um das Loslassen – Vairagya. In den Yogahaltungen (Asanas) üben wir das Loslassen unnötiger körperlicher Spannungen, energetischer Blockaden, der Fokussierung auf das Außen und im Yin Yoga auch das Loslassen des Atems. Wenn wir diese Schritte gehen und umsetzen, sind wir bereit für die Meditation.

In der yogischen Spiritualität gehen wir deutlich weiter und können diese auf unser Leben im Hier und Jetzt anwenden:

Loslassen bedeutet das Aufgeben von Gewohnheiten, die uns nicht dienlich sind, das Aufgeben von Gedanken, die uns nicht guttun, das Aufgeben von Emotionen wie Sorgen und Ängste, die meist genährt werden aus der Vergangenheit und dazu führen, dass wir sie mit in die Zukunft nehmen, die ungewiss und unbekannt ist. Wenn wir es schaffen, diese aufzugeben und uns neu ausrichten, findet ein innerer Wandel statt, der uns in die Freiheit führen kann.

Loslassen heißt auch, Achtsamkeit zu üben, uns nicht mehr in Gedanken und Emotionen zu verstricken, sondern ganz im gegenwärtigen Moment zu leben. Meist stellen wir dann fest: jetzt, genau jetzt, ist alles gut, was gestern war, ist Vergangenheit, was morgen wird ist Zukunftsmusik – leben wir also JETZT!

Loslassen hat vor allem auch mit Hingabe zu tun: wir lassen uns selber los und vertrauen auf etwas, das größer ist als wir. Wenn du dich voller Leidenschaft einer Sache, deinem Tun oder einem Menschen hingibst, lässt du gänzlich los und vertraust auf eine höhere Führung, die dich lenkt und leitet. Du bist im FLOW, gibst die Kontrolle auf und fließt mit dem Fluss des Lebens. Du vertraust!

Loslassen meint außerdem, nicht zu urteilen. Wir Menschen sind groß darin, alles und allem ein Label aufzukleben. Alles zu bewerten, in Schubladen einzusortieren. Was könnten wir vielleicht entdecken, wenn wir völlig wertfrei auf Menschen oder Situationen zugehen und das Beurteilen einfach loslassen.

Loslassen bedeutet auch, zu Geben und zu Vergeben. Wenn ich etwas gebe, lasse ich es los. Wer kennt das nicht, das schöne Gefühl, wenn man jemand anderem eine Freude macht. Das Verschenken macht doch mindestens genauso viel Freude wie das Beschenkt werden. Zu Vergeben ist ein Geschenk an sich selbst. Vergeben bedeutet nicht, dass ich meine Meinung zu einer Situation o.ä. ändern muss, in dem ich jemand anderem vergebe, befreie ich mich selbst von dem entstandenen negativen Gefühl. Ich kann es loslassen.

Wenn ich loslasse, kann ich meine Begrenzungen lösen, ich gebe sie auf. Wie oft begrenzen wir uns selbst, indem wir unsere Glaubenssätze wiederholen: ich bin nicht gut genug, ich kann das nicht, das traue ich mich nicht, mir fehlt dies und das um etwas zu tun. Ich begrenze mich damit selbst und verschenke somit die Freiheit, meine Komfortzone zu verlassen oder auszudehnen um wachsen zu können.

Der eigentliche Kern und das Ziel des Yoga, worauf all das vorher genannte abzielt, ist, das Ego loszulassen. Nicht mehr um sich selbst zu kreisen, sich klein zu machen oder zu überhöhen, dem Ego nicht mehr zuzuhören, sondern der Stimme des Herzens, des höheren Selbst zu lauschen. Dies bedeutet FREIHEIT!

Wenn wir loslassen, dann tun wir es immer im gegenwärtigen Moment – warum also nicht gleich anfangen – Warum also nicht JETZT?

Das Einzige, worauf du dich verlassen kannst, ist die Veränderung. Ohne Loslassen gibt es keinen Neubeginn. Und ohne Mut gibt es kein Vertrauen, dass am Ende immer alles gut wird!

In diesem Sinne, wünsche ich euch einen mutigen Start in dieses neue Jahr und vergesst nicht: „Vertrauen ist die stillste Art von Mut.“

*inspiriert von Ursula Karven und Ralph Skuban aus dem Buch ‚Loslassen‘